Stormwatch Cover

Orion

1979

Stormwatch

Jethro Tull

Das Lied Orion (1979) erzählt von einem egozentrischen Gläubigen, der an der Tatenlosigkeit seines Gottes verzweifelt.

Jethro Tull

Über den Interpreten

Jehtro Tull wurde 1967 als 'The Four Fingers' in Blackpool, damals Grafschaft Lancashire, in Großbritannien gegründet.

Damals änderten sie ihren Namen quasi wöchentlich, um öfter in der Londoner Club-Landschaft spielen zu können – Erstentwürfe waren z.B. 'Candy Coloured Rain' oder auch 'Ian Henderson's Bag o' Nails'.

Der Name Jethro Tull geht auf Henry Jethro William Tull, einen englischen Agrar-Pionier zurück. Ein Name, den die Band 1968 von einem Buchungsagenten bekam, als sie zum ersten Mal vom Londoner Marquee Club gebucht wurden.

Die Band orbitiert um das Multi-Talent Ian Anderson, der Gesang, mehrere Instrumente, darunter seine berühmte Querflöte, Komposition und Texte übernimmt.

Wenn man dem Plattentext der ersten LP 'The Was' glaubt, hatte Ian Anderson erst ein paar Monate vor den Aufnahemn mit dem Querflötenspiel angefangen.

Stormwatch

Über das Album

Das 1979 erschienene Album Stormwatch ist das 12. Szudioalbum der Band Jethro Tull.

Ian Anderson, der, wie meistens, sämtliche Texte und fast alle Stücke geschrieben hat, produzierte das Album außerdem gemeinsam mit Robin Black. Die Aufnahmen fanden in Fulham, London, in den Maison Rouge Studios statt.

Der Bassist John Glascock konnte wegen seiner Herzerkrankung nur bei drei Stücken mitspielen und starb am 17. November 1979. Auf den sonstigen Stücken ist Anderson am Bass zu hören.

Das Album greift Themen wie Umwelt und Umweltschutz, den Rollen des Menschen in der Natur / im Kosmos, und übergeifend die Erdölförderung in der Nordsee auf.

Schike

Schike

www.schike.de

Professioneller Über-Analysierer und der, der den ganzen Blödsinn hier angefangen hat.

In aller Kürze

Orion folgt einem egozentrischen Ich-Erzähler, der mit seinem Gottesbild hadert. Der Erzähler ruft seinen Gott an, um ihn aus seiner Tatenlosigkeit zu reißen, aber der scheint sich nicht für die Probleme der Menschen (die Probleme des Erzählers) zu interessieren.

Die Forderungen des Erzählers ufern immer weiter aus, bis er von Orion verlangt, selbst zu einem Gott gemacht zu werden. Dazwischen malt uns der Erzähler drei Alltags-Szenerien, aus denen klar wird, mit welchen Augen er die Welt sieht.

Der Song nutzt für viele seiner Vergleiche ein Sternbild-Narrativ, genauer das Sternbild Orion, nach dem das Lied und die Götterfigur benannt ist.

Erster Chorus

Orion, won't you give me your star sign

Der Song Orion verfolgt einen mit seinem Gott verzweifelnden Ich-Erzähler, der tatenlos alle Unzucht der Welt zuzulassen scheint.

Das Sternbild, bzw. der Gott Orion steht hier stellvertretend für jedes beliebige Gottesbild. Der Ich-Erzähler beginnt mit der Bitte an seinen Gott, ihm sein "Stern-Zeichen" zu geben.

Die Zeile funktioniert einmal als eine Forderung um ein Lebens- bzw. Daseinszeichen: Der Erzähler fordert einen Beweis.

Während des Songs wird klar, dass sich der Erzähler wohl für den Auserwählten hält. Unter dem Aspekt funktioniert die Zeile auch als Bitte, ihn zu zeichnen: Ihn quasi als den Auserwählten, der er ist, zu markieren.

Zuletzt ist "Sternzeichen" logisch treffend für Orion.

Orion, get up on the sky-line

Hier fordert der Erzähler Orion auf die "Skyline" – er fordert seinen Gott auf, seinen Platz einzunehmen. Orion scheint seine Existenz nicht nur gegenüber dem Erzähler zu verschleiern, sondern das ganze Thema Göttlichkeit ein bisschen zu vernachlässigen. So weit, dass der Erzähler eingreifen muss.

Aber auch ohne den Kontext untermauert die Zeile den gefühlten Auserwähltenstatus des Erzählers: Welcher Sterblicher gibt sonst einem Gott Befehle?

Außerdem ist es wieder passend, ein Sternzeichen zur Bewegung aufzufordern: Ein Sternbild interessiert sich für Befehle wahrscheinlich genauso, wie ein Gott.

I'm high on my hill and I feel fine

Orion, let's sip the heaven's heady wine

Der Erzähler ist hoch auf seinem Berg und fühlt sich wohl: Er ist überzeugt von seinen Ansichten, auch wenn er mit ihnen allein ist. Auf seinem Hügel zu sterben ist ein Englisches Sprichwort für (gerne auch disproportionale) Starrköpfigkeit.

Der Erzähler stellt sich zuletzt mit Orion auf dieselbe Stufe, indem er ihn wie einen guten Freund zum Trinken auffordert.

Erste Strophe

Orion, light your lights

Come guard the open spaces

Wieder eine Aufforderung an Orion, seine Rolle anzunehmen.

"Leuchte dein Licht" ist wieder eine Parallele von Sternbild zu Gottesbild: Sternenlicht und göttliches Licht.

Ein Gott bewacht offene Weiten, einmal, weil menschliche Macht für so eine Aufgabe nicht ausreicht, und weil offene Orte die gefährlichen sind. Ein Sternbild kann nur die offenen Weiten bewachen – überall sonst wird es verdeckt.

From the black horizon to the pillow where I lie

Der Ich-Erzähler zentriert die Welt, über die Orion wachen soll, um das Kissen, auf dem er liegt. In seinem Kopf dreht sich die Welt mit ihrem Gott buchstäblich um ihn.

Sternbilder sind willkürlich gewählte Sterne. Oft liegt unsere Sonne näher an einem der Sterne, als die Sterne untereinander. Sie existieren nur für den Beobachter, und nur in einer Welt, die sich um den Beobachter dreht.

Your faithful dog shines brighter than its lord and master

Mit dieser Zeile stellt sich der Erzähler endlich über seinen Gott: Der treue Hund scheint heller als der Herr. Allein durch seinen Glauben hat der Erzähler (und jeder Gläubige) mehr Gewicht als der Gott.

Das ist natürlich auch ein direkter Vorwurf.

Der treue Hund ist außerdem eine Anspielung an das Sternbild Canis Major – den großen Hund. Sowohl im Sternbild als auch in der Mythenwelt Begleiter Orions. Im Sternbild Canis Major befindet sich der Stern Sirius – einer der hellsten Sterne der Konstellation.

Your jewelled sword twinkles as the world rolls by

Orions Schwert ist ein Teil vom Sternbild Orion.

Ein glitzerndes Juwelenschwert fügt sich glänzend sowohl in das Sternen-Narrativ als auch das Gottesbild: Ein verziertes Schwert, ein zeremonielles Schmuckstück statt Werkzeug oder Waffe, das stumm glitzert, während sich die Welt daran vorbei dreht.

Orion vernachlässigt seine Pflichten als Gott nicht nur, er ist nicht einmal wirklich für sie ausgerüstet.

So come up singing above the cloudy cover

Stare through at people who toss fitful in their sleep

I know you're watching as the old gent by the station

Scuffs his toes on old fag packets lying in the street

Der Erzähler versucht, Orion mit Schuldzuweisungen zum Eingreifen zu zwingen: "Schau dir die Leute in ihrem unruhigen Schlaf an!"

Er wirft Orion vor, das Leid der Menschen ganz genau sehen zu können, und trotzdem untätig zu bleiben. Das "Leid" wird hier von einem Alten Mann verkörpert, der mit den Zehen alte Zigarettenschachteln herum stupst.

Zweiter Chorus

Orion, won't you give me your star sign

Orion, get up on the sky-line

I'm high on my hill and I feel fine

Orion, let's sip the heaven's heady wine

Zweite Strophe

And silver shadows flick across the closing bistro

Sweet waiters link their arms and patter down the street

Their words lost blowing on cold winds in darkest Chelsea

Prime years fly fading with each young heart's beat

Der Erzähler beschreibt die zweite weltliche Szene: Ein schließendes Bistro, und die Bedienungen, deren Worte im kalten Wind verschwimmen.

In seinen Augen sind ihre Gespräche Schall und Rauch, und jeder ihrer Herzschläge ist verschwendete Zeit. Er beschreibt sie, als könnte er jeden Persönlichkeitszug an ihnen ablesen, als würden sie aber durch ihn durch gehen.

Er scheint unzufrieden damit, dass sie ihr Leben nicht seinem Gott widmen, nicht in seiner Welt verbringen, hat gleichzeitig aber auch keinerlei Interesse an ihrer.

Dritter Chorus

Orion, won't you make me a star sign

Orion, get up on the sky-line

I'm high on your love and I feel fine

Orion, let's sip the heaven's heady wine

Die Forderung an Orion steigert sich: Ein Zeichen reicht dem Erzähler nicht mehr, er möchte, dass Orion ihn ebenfalls zu einem Gott macht.

Außerdem ändert sich die Zeile "Oben auf meinem Berg" zu "Betrunken von deiner Liebe" – Ein Wortspiel, das im Englischen besser funktioniert.

Er tauscht das Geständnis, starrköpfig eine harte Kante zu verfolgen, gegen das, nicht ganz bei Sinnen zu sein. Hier darf jeder selbst entscheiden, welche Einsicht die weniger hilfreiche ist.

Dritte Strophe

And young girls shiver as they wait by lonely bus-stops

After sad parties: no-one to take them home

To greasy bed-sitters and make a late-night play

For lost virginity a thousand miles away

Die dritte und letzte weltliche Szene: Junge Mädchen, die zitternd auf den Bus warten, nachdem sie leider für keine "Late-Night-Vorstellungen" in ranzige Einzimmerwohnungen entführt wurden.

Es wird ziemlich deutlich, wie der Erzähler zum Thema Hedonismus steht. Partys, gute Laune, und Gelegenheitssex sind laut ihm wohl nicht besonders hoch auf Orions Zehn-Gebote-Tafel verzeichnet.

Vierter Chorus

Orion, won't you make me a star sign

Orion, get up on the sky-line

I'm high on your love and I feel fine

Orion, let's sip the heaven's heady wine

On the sky-line

Orion

Lyrisch derselbe Chorus wie vorhin, aber dieses Mal mit einem von Ian Anderson stimmlich überstrapazierten "I feel fine."

Es klingt fast ein bisschen zu überzeugt. Als hätte sich der Charakter in etwas hineingegraben, und ist jetzt zu stolz, auch nur an eigenen Irrtum zu denken.

Der Song endet mit einem letzten Ausruf, der nur noch aus dem Namen Orion besteht.